ITALO CALVINO Geschichten EINES NACHMITTAGS, ADAM – TEXT DE

 

 

 

Italo Calvino
Eines Nachmittags, Adam

( Schwierige Liebschaften )

(1958)

 

 

Kurzgeschichte

Geschichten-Sammlung:

Die Geschichten

von Italo Calvino

 

 

Kurzgeschichte

Text mit deutscher Übersetzung

Italienische Literatur

 

 

Italo Calvino Alle Geschichten > hier

 

 

Italo Calvino (Kuba, 15. Oktober 1923 – Siena, 19. September 1985) war ein italienischer Schriftsteller und Partisan. Italo Calvino war einer der bedeutendsten italienischen Erzähler der zweiten Hälfte des 20.

” Die Geschichten “ ist eins Gesammelte Erzählungen von Italo Calvino veröffentlicht im Jahr 1958.

Die Sammlung von Geschichten: ” Die Geschichten” von Italo Calvino vereint eine Reihe von Kurzgeschichten, die in Magazinen oder anderen Sammlungen von Kurzgeschichten von Italo Calvino veröffentlicht wurden.

Die Sammlung von Kurzgeschichten von Italo Calvino gliedert sich in vier Teile:

Erstes Buch: Schwierige Idyllen
Zweites Buch: Schwierige Erinnerungen
Drittes Buch: Schwierige Liebschaften
Viertes Buch: Das leben schwierig

Die hier vorgeschlagene Kurzgeschichte “Eines Nachmittags, Adam” wurde 1947 vom Schriftsteller Italo Calvino geschrieben.

Hier ist der volltext der Kurzgeschichte “Eines Nachmittags, Adam” von Italo Calvino ins Deutsche übersetzt.

Die Originaltext Geschichte in italienischer Sprache von “Eines Nachmittags, Adam” (Ita: Un pomeriggio, Adamo) von Italo Calvino finden Sie auf yeyebook, indem Sie hier klicken.

Die Geschichte “Adam, One afternoon” mit Text ins Englische übersetzt finden Sie auf yeyebook, indem Sie hier klicken.

Im Menü oben oder unten finden Sie die Geschichte von Italo Calvino: “Eines Nachmittags, Adam”, übersetzt in andere Sprachen: Französisch, Spanisch, Chinesisch usw.

Gute Lektüre.

 

 

Italo Calvino
Eines Nachmittags, Adam

( Die Geschichten )

 

 

Kurzgeschichte

Text mit deutscher Übersetzung

 

 

         Der neue Gärtner war ein Junge mit langen Haaren und einem Stirnband aus Sto! um den Kopf. Gerade kam er die Allee mit der Gießkanne herunter, wobei er den Arm ausstreckte, um das Gleichgewicht zu halten. Er begoss die Kapuzinerkresse so behutsam, als schenke er Milchka!ee ein: auf der Erde unter den P”anzen breitete sich ein dunkler Fleck aus; als der Fleck groß und nass war, nahm er die Gießkanne hoch und ging zur nächsten Panze. Gärtner musste ein schöner Beruf sein, weil man alles mit so viel Ruhe tun konnte.

Maria-nunziata schaute ihm vom Küchenfenster aus zu. Der Junge war schon groß, doch trug er noch kurze Hosen. Und mit den langen Haaren sah er aus wie ein Mädchen. Sie ließ den Abwasch liegen und klop#e an die Scheiben.

»Junge«, sagte sie.

 

Der Gärtnerjunge hob den Kopf, erblickte Maria-nunziata und lächelte. Auch Maria-nunziata begann zu lachen, um
ihm zu antworten und weil sie nie einen Jungen mit so langen Haaren und einem solchen Stirnband um den Kopf gesehen hatte. Darau in machte der Gärtnerjunge ihr mit der Hand ein Zeichen

»komm her«, und Maria-nunziata lachte weiter über seine drollige Art, Gesten zu machen, und bedeutete ihm nun ihrerseits, dass sie spülen müsse. Aber der Gärtnerjunge winkte ihr »komm her« mit der einen Hand, und mit der anderen zeigte er auf die Töpfe mit den Dahlien.

 

Warum zeigte er auf die Dahlientöpfe? Maria-nunziata ö!-nete die Fenster”ügel und steckte den Kopf hinaus.
»Was ist los?« sagte sie und lachte.
»Sag, willst du etwas Schönes sehn?«
»Was denn?«
»Etwas Schönes. Komm her und guck. Schnell.«
»Sag mir, was es ist.«
»Ich schenke es dir. Ich schenke dir etwas Schönes.«

»Ich muss die Teller spülen. Und dann kommt die gnädige
Frau und “ndet mich nicht.«
»Willst du es oder willst du es nicht? Los, komm.«
»Warte hier«, sagte Maria-nunziata und schloss das Fenster.

 

Als sie aus der kleinen Tür für die Dienstboten trat, war der Gärtnerjunge immer noch an derselben Stelle und begoss die Kapuzinerkresse.

»Ciao«, sagte Maria-nunziata.

Maria-nunziata schien durch ihre schönen Korkschuhe größer als sie war, eigentlich waren sie zu schade, um bei der
Arbeit getragen zu werden, aber sie liebte es nun einmal so.
Sie hatte ein kleines Kindergesicht inmitten der schwarzen lockigen Haare und auch noch magere und kindliche Beine, während ihr Körper unter der gebauschten Schürze schon voll und ausgebildet war. Und sie lachte immer: bei allem, was sie selbst oder die anderen sagten, lachte sie.

»Ciao«, sagte der Gärtnerjunge. Seine Haut auf Gesicht, Hals und Brust war braun: vielleicht, weil er immer, wie jetzt, halbnackt herumlief.
»Wie heißt du?« fragte Maria-nunziata.
»Libereso«, sagte der Gärtnerjunge.

 

Maria-nunziata lachte und wiederholte: »Libereso … Libereso … Was für ein Name, Libereso.«
»Das ist ein Esperanto-Name«, sagte er. »Er bedeutet Freiheit auf Esperanto.«
»Ich bin Kalabreserin«, sagte Maria-nunziata.
»Wie heißt du?«
»Maria-nunziata«, und sie lachte.
»Warum lachst du immer?«
»Aber warum heißt du Esperanto?«
»Nicht Esperanto: Libereso.«
»Warum?«
»Und warum heißt du Maria-nunziata?«
»Das ist der Name der Madonna. Ich heiße wie die Madonna und mein Bruder wie ihr Mann, San Giuseppe.«

»Sangiuseppe?«
Maria-nunziata brach in Lachen aus: »Sangiuseppe! Giuseppe, nicht Sangiuseppe! Libereso!«
»Mein Bruder heißt Germinal«, sagte Libereso, »und meine Schwester Omnia.«
»Und das Geschenk«, sagte Maria-nunziata, »zeig mir das Geschenk.«
»Komm«, sagte Libereso. Er stellte die Gießkanne ab und nahm sie bei der Hand.

 

Maria-nunziata sträubte sich: »Sag mir erst, was es ist.«
»Du wirst schon sehen«, sagte er, »du musst mir versprechen, dass du es sorgfältig behandelst.«
»Schenkst du es mir?«
»Ja, ich schenke es dir.« Und er hatte sie in eine Ecke neben der Gartenmauer geführt. Dort standen Dahlienp”anzen in Töpfen, die so groß waren wie sie selbst.
»Hier ist es.«
»Was?«
»Warte!«

Maria-nunziata sah über seine Schulter. Libereso bückte sich, um einen Topf zu verrücken, hob einen andern nahe
der Mauer in die Höhe und zeigte auf die Erde.
»Hier«, sagte er.
»Was?« sagte Maria-nunziata. Sie sah nichts: es war ein schattiger Winkel mit feuchten Blättern und Komposterde.
»Schau, wie es sich bewegt«, sagte der Junge. Da sah sie eine

Art Stein aus Blättern, der sich bewegte, ein feuchtes Etwas mit Augen und Füßen: eine Kröte.
»Mammamia!«

 

Maria-nunziata war mit großen Sprüngen in ihren schönen Korkschuhen zwischen den Dahlien davongelaufen. Libereso hatte sich neben die Kröte gekauert und lachte mit weißen Zähnen aus dem braunen Gesicht.
»Du hast ja Angst! Es ist eine Kröte! Warum hast du Angst?«
»Es ist eine Kröte!« stöhnte Maria-nunziata.
»Es ist eine Kröte. Komm«, sagte Libereso.

Sie zeigte mit dem Finger auf sie: »Mach sie tot!«
Der Junge hielt die Hände vor sie, fast um sie zu beschützen: »Ich will nicht. Sie ist gut.«
»Es ist eine gute Kröte?«
»Sie sind alle gut. Sie fressen die Würmer.«
»Ah«, sagte Maria-nunziata, aber kam nicht näher.
Sie biss in den Kragen ihres Kittels und versuchte trotzdem etwas zu sehen, wobei sie die Augen verdrehte.
»Guck doch, wie schön«, sagte Libereso und hielt seine Hand unter die Kröte.
Maria-nunziata kam näher: sie lachte nicht mehr und sah
mit o#enem Munde zu: »Nein! Fass sie nicht an!«

 

Libereso streichelte mit einem Finger den graugrünen Rücken der Kröte, der voller schleimiger Warzen war.
»Bist du verrückt! Weißt du nicht, dass sie brennt, wenn man sie anfasst, und dass dir die Hand anschwillt?«
Der Junge zeigte ihr seine klobigen braunen Hände, deren Hand$ächen von einem klebrigen gelben Schleim überzogen waren.

»Mir tut sie nichts«, sagte er, »sie ist so schön.«
Er hatte die Kröte am Nacken gefasst wie eine kleine Katze und sie auf seine Hand$äche gesetzt. Maria-nunziata biss auf ihren Kragen, kam näher und hockte sich neben ihn.

»Mammamia! Was für ein Schreck!«
Sie hockten beide hinter den Dahlien, Maria-nunziatas rosa Knie berührten Liberesos braune, abgeschür.

Libereso strich abwechselnd mit der Hand$äche und mit dem Handrücken über die Kröte, und immer, wenn sie herunterrutschen wollte, erwischte er sie wieder.

»Streichle du sie auch, Maria-nunziata«, sagte er.
Das Mädchen versteckte seine Hände im Schoß.
»Nein«, sagte sie.
»Was?« sagte er, »du willst sie nicht?«

Maria-nunziata senkte die Augen, dann betrachtete sie die Kröte und senkte sie schnell von neuem.
»Nein«, sagte sie.

»Sie gehört dir. Ich schenke sie dir«, sagte Libereso.

 

Maria-nunziatas Gesicht ver”nsterte sich jetzt: es war traurig, auf ein Geschenk zu verzichten, niemand machte ihr je
Geschenke, aber die Kröte war ihr wirklich eklig.
»Du darfst sie auch ins Haus tragen, wenn du willst. Sie wird dir Gesellscha# leisten.«
»Nein«, sagte sie. Libereso setzte die Kröte wieder auf den
Boden und ging eilig fort und suchte etwas in den Blättern.
»Ciao, Libereso.«
»Warte.«
»Ich muss fertig spülen. Die gnädige Frau will nicht, dass ich in den Garten gehe.«
»Warte. Ich möchte dir etwas schenken. Etwas wirklich Schönes. Komm.«
Sie folgte ihm durch die Kieswege. Libereso war ein sonderbarer Junge mit seinen langen Haaren und mit den Kröten, die er in die Hand nahm.

»Wie alt bist du, Libereso?«
»Fünfzehn. Und du?«
»Vierzehn.«
»Bist du’s schon, oder wirst du’s erst?«
»An Mariä Verkündigung werde ich’s.«
»Ist das schon vorbei?«
»Was, du weißt nicht, wann Mariä Verkündigung ist?«
Sie hatte wieder zu lachen angefangen.
»Nein.«
»Mariä Verkündigung, wenn die Prozession ist. Gehst du nicht zur Prozession?«
»Nein, ich nicht.«
»In unserm Dorf gibt es schöne Prozessionen. Bei uns ist es nicht wie hier. Da sind große Felder mit Bergamottbirnen, nichts wie Bergamotten. Und die ganze Arbeit besteht darin, von morgens bis abends Bergamotten zu p$ücken. Wir waren vierzehn Brüder und Schwestern, und alle haben Bergamotten gep$ückt, und fünf sind als Kinder gestorben, und meine Mutter hat den Starrkrampf gekriegt, und wir sind eine Woche lang mit dem Zug gefahren zu Onkel Carmelo, und da haben wir zu acht in einer Garage geschlafen. Sag, warum hast du so lange Haare?«

 

Sie waren bei einem Beet mit Kallap#anzen stehengeblieben.
»Darum. Du hast ja auch lange Haare.«
»Ich bin ein Mädchen. Wenn du sie so lang hast, bist du wie ein Mädchen.«
»Ich bin nicht wie ein Mädchen. Man sieht nicht an den Haaren, ob man ein Junge oder ein Mädchen ist.«
»Wieso nicht an den Haaren?«
»An den Haaren sieht man’s nicht.«
»Warum nicht an den Haaren?«
»Soll ich dir etwas Schönes schenken?«
»Ja.«
Libereso $ng an, zwischen den Kallas hin- und herzugehen. Sie waren alle aufgeblüht und streckten die weißen
Trompeten zum Himmel. Libereso schaute in jede Blüte, durchsuchte sie genau mit zwei Fingern und verbarg dann
etwas in seiner zur Faust geballten Hand. Maria-nunziata war nicht in das Beet gegangen und schaute zu, während sie lachte. Was tat Libereso da? Jetzt hatte er alle Kallablüten durchsucht. Er kam heraus und hielt die Hände eine in der andern vor sich.

»Mach die Hände auf«, sagte er. Maria-nunziata streckte die zu einer Schale gerundeten Hände vor, aber sie hatte
Angst, sie unter die seinen zu halten.
»Was hast du drin?«
»Was Schönes. Du wirst schon sehen.«
»Zeig es mir erst.«

 

Libereso machte seine Hände auf und ließ sie hineinsehen. Sie waren voller Käfer: Käfer in allen Farben. Die schönsten waren grün, dann gab es auch rötliche und schwarze, und einer war türkisblau; sie krochen sich gegenseitig über ihre Panzer und zappelten mit den schwarzen Beinen in der Lu%.

Maria-nunziata versteckte ihre Hände unter dem Kittel.

»Da, nimm sie«, sagte Libereso, »gefallen sie dir nicht?«
»Doch«, sagte Maria-nunziata, aber sie behielt die Hände unter dem Kittel.
»Wenn man sie in der Hand hat, kitzeln sie; willst du mal fühlen?«

Maria-nunziata streckte ängstlich die Hände aus, und Libereso ließ den ganzen Segen bunter Insekten hineinfallen.
»Mut. Sie beißen nicht.«
»Mammamia!« Daran hatte sie nicht gedacht, dass sie beißen könnten. Sie ö#nete die Hände, und die freigelassenen Käfer breiteten ihre Flügel aus, und die schönen Farben verschwanden, und es blieb nur ein Schwarm schwarzer Käfer, der fort$og und sich auf die Kallablüten niederließ.
»Schade; ich möchte dir ein Geschenk machen, und du willst nicht.«
»Ich muss abwaschen gehen. Wenn die gnädige Frau mich nicht %ndet, dann schimp& sie.«
»Du willst kein Geschenk?«
»Was schenkst du mir?«
»Komm.«

 

Er führte sie weiter an der Hand durch die Beete.
»Ich muss schnell in die Küche, Libereso. Dann muss ich ein Huhn rupfen.«
»Puuh!«
»Warum: puuh?«
»Wir essen kein Fleisch von toten Tieren.«
»Ihr macht immer Fasten?«
»Was?«
»Was esst ihr?«
»Einen Haufen Dinge, Artischocken, Kopfsalat, Tomaten. Mein Vater will nicht, dass man das Fleisch von toten Tieren isst. Und auch keinen Ka#ee und keinen Zucker.«
»Und die Zuckermarken?«
»Die verkaufen wir auf dem Schwarzen Markt.«
Sie waren bei einem Gehänge aus fettblättrigen P$anzen angelangt, die von roten, sternförmigen Blüten übersät waren.
»Schöne Blumen«, sagte Maria-nunziata. »Pückst du nie welche?«
»Wozu?«
»Um sie der Madonna zu bringen. Blumen bringt man der Madonna.«
»Mesembrianthemum.«
»Was?«
»Sie heißt Mesembrianthemum, diese P#anze, auf lateinisch. Alle P#anzen haben lateinische Namen.«
»Auch die Messe ist auf lateinisch.«
»Weiß ich nicht.«

 

Libereso schaute blinzelnd in das Gewirr der Äste auf dem Spalier.
»Da ist sie«, sagte er.
»Was ist los?«
In der Sonne saß unbeweglich eine grüne Eidechse mit schwarzer Zeichnung auf der Haut.
»Ich hol sie jetzt.«
»Nein.«

Aber er näherte sich der Eidechse mit o$enen Händen, ganz leise, dann ein Satz: erwischt. Er lachte zufrieden sein
weiß-braunes Lachen.
»Schau, wie die mir entschlüpfen will!« Aus den geschlossenen Händen glitt bald das verängstigte Köpfchen, bald der Schwanz heraus. Auch Maria-nunziata lachte, aber jedesmal, wenn sie die Eidechse sah, sprang sie rückwärts und wickelte sich den Rock um die Knie.
»Kurz und gut, du willst wirklich, dass ich dir nichts schenke?« sagte Libereso ein wenig geknickt, und ganz sorgfältig setzte er die Eidechse auf ein Mäuerchen, und sie schnellte hinweg. Maria-nunziata hielt die Augen gesenkt.
»Komm mit mir«, sagte Libereso und fasste sie wieder an der Hand.
»Mir würde ein Lippensti% gefallen, mit dem ich mir sonn-tags die Lippen anmalen könnte, wenn ich zum Tanzen gehe. Und dann ein schwarzer Schleier auf den Kopf für den Abendsegen nachher.«
»Sonntags«, sagte Libereso, »gehe ich mit meinem Bruder in den Wald, und wir suchen zwei Säcke voll Tannenzapfen. Am Abend liest uns dann mein Vater die Bücher von Elisée Reclus vor. Mein Vater hat lange Haare bis auf die Schultern und einen Bart bis auf die Brust. Er trägt im Sommer wie im Winter kurze Hosen. Und ich zeichne für den Schaukasten der FAI. Und die mit dem Zylinder sind die Finanzmänner und die mit dem Käppi Generäle und die mit dem runden Hut Priester. Und dann male ich das Bild mit Wasserfarben an.«

 

Sie kamen zu dem Becken, auf dem die runden Blätter der Seerosen schwammen.
»Still«, sagte Libereso.
Unter dem Wasser schwamm ein Frosch, der mit auf- und abrudernden grünen Beinen in die Höhe trieb. An der Ober-äche angekommen, sprang er auf ein Seerosenblatt und setzte sich in die Mitte.
»Da ist er«, sagte Libereso und senkte seine Hand, um ihn zu fassen, aber Maria-nunziata machte »uh!«, und der Frosch sprang ins Wasser.

Libereso suchte ihn, die Nase über dem Wasser.
»Da unten.«
Er stieß mit einer Hand hinab und zog ihn in der geschlossenen Faust hinauf.
»Zwei auf einmal«, sagte er, »schau. Einer sitzt auf dem andern.«
»Warum?« fragte Maria-nunziata.

»Männchen und Weibchen aufeinander«, sagte Libereso,
»schau, was sie machen.«

 

Und er wollte die Frösche in Maria-nunziatas Hände setzen. Maria-nunziata wusste nicht, ob sie Angst hatte, weil es
Frösche oder weil es Männchen und Weibchen aufeinander waren.

»Lass sie«, sagte sie, »warum soll man sie anrühren.«
»Männchen und Weibchen«, wiederholte Libereso, »dann machen sie Kaulquappen.«
Eine Wolke schob sich vor die Sonne. Plötzlich #ng Marianunziata an zu jammern.
»Es ist spät. Sicher sucht mich die gnädige Frau.«

Aber sie ging nicht fort. Sie strei$en weiter durch den Garten, und die Sonne war verschwunden. Jetzt war eine
Schlange an der Reihe. Sie war hinter einer Bambushecke, eine kleine Schlange, eine Blindschleiche. Libereso wand sie sich um den Arm und streichelte ihr Köpfchen. »Einmal habe ich Schlangen gezähmt, ich hatte ungefähr zehn, auch eine ganz lange gelbe Wasserschlange. Sie hat dann die Haut gewechselt und ist entkommen. Schau, wie sie den Mund aufmacht, und hier die gespaltene Zunge. Streichle sie, sie beißt nicht.«

 

Aber Maria-nunziata hatte auch vor Schlangen Angst.
Dann gingen sie zu dem kleinen Teich mit den Felsen. Zuerst zeigte er ihr den Springbrunnen, ö%nete alle Hähne, und sie war sehr zufrieden. Dann zeigte er ihr den Gold#sch. Es war ein alter, einsamer Fisch, dessen Schuppen schon an#ngen, weiß zu werden. Und siehe da: der Gold#sch ge#el Marianunziata. Libereso begann mit den Händen im Wasser herumzutauchen, um ihn zu fangen; das war schwierig, aber Maria-nunziata konnte ihn in ein Glas setzen und auch in der Küche haben. Er #ng ihn, zog ihn aber nicht aus dem Wasser, damit er nicht erstickte.

»Steck die Hände hinein, streichle ihn«, sagte Libereso,
»man fühlt, wie er atmet; er hat Flossen wie aus Papier und Schuppen, die stechen, aber nur ein bisschen.«
Aber Maria-nunziata wollte auch den Fisch nicht streicheln.
Auf einem Petunienbeet lag weiche Komposterde, und Libereso kratzte sie mit den Fingern auf und zog lange, lange,
ganz weiche Regenwürmer heraus.
Maria-nunziata ent&oh mit kleinen Schreien.

 

»Leg die Hand hierhin«, sagte Libereso und zeigte auf den Stamm eines alten P#rsichbaumes. Maria-nunziata verstand nicht, legte aber die Hand auf die Stelle: dann stieß sie einen Schrei aus und rannte fort, um die Hand in das Wasser des Teiches zu tauchen. Sie war voller Ameisen gewesen. Auf dem Stamm wimmelte es von kleinen argentinischen Ameisen.

»Sieh mal«, sagte Libereso und legte die Hand an den Stamm. Man sah, wie die Ameisen ihm die Hand hinaufkrabbelten, aber er ließ sie.
»Warum«, fragte Maria-nunziata, »warum machst du dich voll Ameisen?«
Die Hand war schon schwarz, schon stiegen ihm die Ameisen das Handgelenk hinauf.
»Tu die Hand weg«, stöhnte Maria-nunziata, »du lässt alle Ameisen auf dich krabbeln.«

 

Die Ameisen stiegen seinen nackten Arm hoch, sie waren bereits am Ellenbogen. Schon war der ganze Arm mit einem schwarzgepünktelten Schleier bedeckt, der sich bewegte. Nun kamen die Ameisen bis in die Achselhöhle, aber er rührte sich nicht.
»Geh weg, Libereso, halt den Arm ins Wasser!«
Libereso lachte, einige Ameisen krabbelten schon vom Hals auf sein Gesicht.
»Libereso! Alles, was du willst! Ich nehme alle Geschenke, die du mir gibst!«

Sie warf ihm die Arme um den Hals und machte sich daran, ihm die Ameisen herunterzuwischen.
Da löste Libereso seine Hand von dem Baum, weißbraun lachend, säuberte nachlässig seinen Arm. Aber man sah, dass der Vorfall ihn bewegt hatte.
»Also ich schenke dir etwas, das steht fest. Das größte Geschenk, das ich dir machen kann.«
»Was?«
»Ein Stachelschwein.«
»Mammamia … Die gnädige Frau! Die gnädige Frau ru$!«

 

Maria-nunziata war fertig mit dem Abwasch, als sie ein Steinchen gegen die Fensterscheibe schlagen hörte. Unten
stand Libereso mit einem großen Korb.
»Maria-nunziata, lass mich hinau#ommen. Ich will dir eine Überraschung machen.«
»Du kannst nicht herauf. Was hast du da drin?«
Aber in diesem Augenblick klingelte die gnädige Frau, und Maria-nunziata verschwand.

Als sie in die Küche zurückkehrte, war Libereso nicht mehr da. Weder drinnen noch unter dem Fenster. Maria-nunziata näherte sich dem Spülstein. Da sah sie die Überraschung. Auf jedem der zum Trocknen aufgestellten Teller saß ein hüpfender Frosch, eine Schlange lag zusammengerollt in einem Topf, die Suppenterrine war voller Eidechsen, und schleimige Schnecken hinterließen irisierende Spuren auf dem Kristall. In dem mit Wasser gefüllten Becken schwamm der alte und einsame Gold$sch.

Maria-nunziata wich einen Schritt zurück, aber zwischen ihren Füßen saß eine fette Kröte. Es musste wohl ein Weibchen sein, denn hinter ihr kam eine ganze Kinderschar, fünf kleine Kröten hintereinander, die sich mit kleinen Hopsern auf den schwarz-weißen Fliesen vorwärtsbewegten.

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Italo Calvino – Eines Nachmittags, Adam

Schwierige Liebschaften (1958)

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Text mit deutscher Übersetzung

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