ARTHUR RIMBAUD – OPHELIA – DE

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Arthur Rimbaud

 

Ophelia

 

 

1

 

Auf stiller, schwarzer Flut, im Schlaf der Sternenfeier,
Treibt, einer großen Lilie gleich, Ophelia,
Die bleiche, langsam hin in ihrem Schleier.
Man hört im fernen Wald der Jäger Hallala.

So, weißes Traumbild, länger schon als tausend Jahre,
Ophelia auf dem schwarzen Wasser traurig zieht;
Ihr sanft verstörter Geist, schon mehr als tausend Jahre,
Singt leis im Abendhauche sein romantisch Lied

Der Wind küsst ihre Brust und bauscht des Schleiers Seide,
Wie eine Dolde auf, vom Wasser sanft gewiegt,
Auf ihrer Schulter, leis erschauernd, weint die Weide,
Auf ihrer großen Stirne Traum das Schilfblatt liegt.

Die Wasserrose seufzt, berührt von ihrem Schweben,
Zuweilen, aus dem Schlaf in einem Erlenbaum,
Weckt sie ein Vogelnest, draus bang sich Flügel heben.
Geheimnisvoll fällt Sang aus goldner Sterne Raum.

 

2

 

O du, so schön wie Schnee, Ophelia, du bliche,
Du starbst, von einem Strom fortgerissen, Kind!
Denn, leisen Lautes, von der herben Freiheit Reiche
Sang in Norwegens hohen Bergen dir der Wind.

Ein unbekannter Hauch hat seltsam arge Kunde,
Dein Haar durchwühlend, deinem Träumergeist gebracht;
Dein Herz, es fühlte sich mit der Natur im Bunde,
Hört klagen es im Seufzerlied der Nacht.

Des Meeres toller Ruf, ein Stöhnen, groß und bitter
Zerbrach dein Kinderherz, zu menschlich und zu weich;
Und eines Morgens im April, ein Ritter
Saß stumm an deinen Knien, so verstört und bleich.

Vom Himmel, Liebe, Freiheit hat dein Traum gesprochen,
Dran, Törin, du zergingst, wie Schnee, von Glut verzehrt.
Erstickt von tiefer Schau ist dir dein Wort zerbrochen.
– Des Alls Entsetzen hat dein blaues Aug zerstört.

 

3

 

Der Dichter sagt, dass in der Nächte Sternenfeier
Du die gepflückten Blumen suchst, dass er gewahrt,
Hintreibend auf der Flut, auf ihrem langen Schleier,
Ophelia, große, weiße Lilie, gebahrt!

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Arthur Rimbaud – Ophelia

 

Arthur Rimbaud

 

Jean Nicolas Arthur Rimbaud (20. Oktober 1854 in Charleville; 10. November 1891 in Marseille) war ein französischer Dichter, Abenteurer und Geschäftsmann. Heute gilt er als einer der einflussreichsten französischen Lyriker. (wikipedia)

 

 

Werke

 

 

Œuvres complètes. Édition établie, présentée et annotée par Antoine Adam. La Pléiade, Gallimard, Paris 1972

Rimbaud: Sämtliche Dichtungen. Französisch und deutsch. Übers. Walther Küchler. Lambert Schneider, Heidelberg 1946

Rimbaud: Sämtliche Dichtungen. Französisch und deutsch. Übers. Walther Küchler, ergänzt durch Carl Andreas. Rowohlt, Reinbek 1963

Briefe. Dokumente. Übers., erl, und mit einem Essay „Zum Verständnis der Sammlung“ von Curd Ochwadt. EA Lambert Schneider, Heidelberg 1961; wieder Rowohlt, Reinbek 1964

Le Bateau ivre/Das trunkene Schiff. Übers. von Paul Celan. Wiesbaden 1958

Das trunkene Schiff. Gedichte Neu-Übers. Thomas Eichhorn, ausgezeichnet mit dem André-Gide-Preis. Rimbaud Verlag, Aachen 1991

Zweisprachig bei dtv. Die gängige Fassung: Insel, Frankfurt 2008.

Une saison en enfer (1873), dt. Eine Zeit in der Hölle oder Ein Aufenthalt in der Hölle

Illuminationen. Übers. Jeanne Mammen. Insel, Frankfurt am Main 1967

Illuminationen; Leuchtende Bilder

Lettres du voyant (1871); deutsch: Die Zukunft der Dichtung. Die Seher-Briefe. Beigefügt Essays von Philippe Beck, Tim Trzaskalik. Matthes & Seitz, Berlin 2010

Seher-Briefe / Lettres du voyant. Hg., Übers. Werner von Koppenfels. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 1990

Rimbaud – Jean-Jacques Lefrère: Korrespondenz. Übers., Kommentar: Tim Trzaskalik. Matthes & Seitz, Berlin 2017

(wikipedia)

 

 

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