W. H. AUDEN – SCHLAFLIED (LULLABY) poesie – Deutscher text
Wystan Hugh Auden
Schlaflied
(Lullaby)
Liebste, gib dein müdes Haupt
Gütig mir, der treulos ist;
Zeit, Gelüste – dies Gewaber
Nimmt den grüblerischen Kindern
Alle Anmut und das Grab
Zeigt, daß wir vergänglich sind:
Bis zum Morgengrauen aber
Bleib, lebendiges Wesen, bleib,
Sterblich, schuldig, doch für mich
Schönheit in Vollkommenheit
Geist und Leib sind schrankenlos:
Wenn Liebende beisammen sind
Auf jenem Hang Glückseligkeit,
Wo die Ohnmacht sie umspinnt,
Dann verkündet Venus ernst
Die Harmonie als Zauberkraft,
Liebe, Hoffnung weltenweit;
Doch ein kalter Scharfblick wacht
Im Gletschereis und Felsgewirr
Der ichbezognen Leidenschaft
Sicherheit, Verläßlichkeit
Schwinden mit der Mitternacht
Wie der Schall vom Glockenschlag,
Und irre Zeitgenossen krähn
Jetzt ihr kleinliches Geschrei:
Jeder Preis, der ausgemacht,
Was die Karten wahrgesagt
Wird beglichen, doch kein Wort,
Kein Gedanke, Kuß und Blick
Sei dahin nach dieser Nacht.
Schönheit, Nacht, Vision vergehn:
Mache, Frühwind, der umweht
Sanft dein Haupt voll Träumerei,
Daß ein schöner Tag entsteht,
Der das kranke Herz versöhnt,
Sterblich ist die Welt, es sei;
Trifft dich klares Mittagslicht,
Sei gestärkt dank wilder Mächte,
Kränkten Nächte dich, vergiß,
Welches Auge sah sie nicht
…
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Wystan Hugh Auden – Schlaflied
(Lullaby)
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