JAMES JOYCE DUBLINER geschichten DIE SCHWESTERN Text Deutsch

 

James Joyce
Dubliner

(eng: Dubliners, 1914)

 

Joyce – Kurzgeschichten

Die Schwestern

(The sisters)

 

Volltext ins Deutsche übersetzt

Irische Literatur

 

James Joyce (James Augustine Aloysius Joyce, * 2. Februar 1882 in Rathgar, Dublin, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland; † 13. Januar 1941 in Zürich) war ein irischer Schriftsteller.

James Joyce er gilt als einer der wichtigsten Vertreter der literarischen Moderne,
und gilt als einer der besten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, auch wenn seine literarische Produktion nicht sehr groß ist.

Der nichtkonformistische und kritische Charakter der irischen Gesellschaft und der katholischen Kirche des Schriftstellers James Joyce zeigt sich in Werken wie “Dubliner” (eng: “Dubliners”), über die wir berichten unter der Kurzgeschichte: “Die Schwestern” mit Volltext ins Deutsche übersetzt.

Inhaltsverzeichnis der James Joyce

“Dubliner” (Dubliners) Buchsammlung:

(mit Links, wo Sie sie auf Yeyebook lesen können)

 

Die Schwestern (The sisters)

Eine Begegnung (An Encounter)

Arabia (Araby)

Eveline

Nach dem Rennen (After the Race)

Zwei Kavaliere (Two Gallants)

Die Pension (The Boarding House)

Eine kleine Wolke (A little Cloud)

Entsprechungen (Counterparts)

Erde (Clay)

Ein betrüblicher Fall (A Painful Case)

Efeutag im Sitzungszimmer (Ivy Day in the Committee Room)

Eine Mutter (A Mother)

Gnade (Grace)

Die Toten (The dead)

Gute Lektüre.

 

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James Joyce

Dubliner

 

Kurzgeschichten

Die Schwestern

Volltext ins Deutsche übersetzt

 

       Es gab keine Hoffnung für ihn diesmal: es war der dritte Schlaganfall. Abend für Abend war ich an dem Haus vorbeigegangen (es war Ferienzeit) und hatte das erleuchtete Fensterviereck studiert: und Abend für Abend hatte ich es in der nmlichen Weise erleuchtet gefunden, schwach und gleichmßig.

 

Wenn er tot wre, dachte ich, würde ich den Widerschein von Kerzen auf dem nunmehr dunklen Rouleau sehen, denn ich wußte, daß zu Hupten eines Leichnams zwei Kerzen aufgestellt werden müssen.

Oft hatte er zu mir gesagt: Lange bin ich nicht mehr von dieser Welt, und ich hatte seine Worte für leeres Gerede gehalten. Jetzt wußte ich, daß sie wahr waren. Jeden Abend, wenn ich zu dem Fenster hinaufsah, sagte ich leise das Wort Paralyse vor mich hin.

 

Es hatte immer seltsam in meinen Ohren geklungen,  wie das Wort Gnomon im Euklid und das Wort Simonie im Katechismus. Doch jetzt klang es mir wie der Name eines übeltterischen und sündigen Wesens. Es erfüllte mich mit Furcht, und doch verlangte es mich, ihm nher zu sein und sein tçdliches Werk zu betrachten.

 

 

Old Cotter saß am Feuer und rauchte, als ich zum Abendessen herunterkam.
Whrend meine Tante mir meinen Haferbrei aufschçpfte, sagte er, als kme er auf eine eigene frühere Bemerkung zurück:
– Nein, ich würde nicht gerade sagen, daß er . . . aber er hatte so etwas Komisches… so etwas Unheimliches an sich. Wenn ihr meine Meinung hçren wollt … Er begann, an seiner Pfeife zu ziehen, und legte sich zweifellos in Gedanken seine Meinung zurecht.

 

Langweiliger alter Dummkopf! In der ersten Zeit unserer Bekanntschaft war er noch ganz unterhaltsam gewesen, wenn er vom Entgeisten und Kühlen erzhlte; aber ich war seiner und seiner endlosen Geschichten über die Brennerei bald überdrüssig geworden.

 

– Ich habe da so meine eigene Theorie, sagte er. Ich glaube, er war einer
von diesen… merkwürdigen Fllen… Aber es ist schwer zu sagen…Er begann wieder an seiner Pfeife zu ziehen, ohne uns seine Theorie mitzuteilen. Mein Onkel sah, wie ich hinstarrte, und sagte zu mir:

– Tja, du w
– Wer? fragte ich.
– Pater Flynn.
– Ist er tot?
– Mr. Cotter hier hat’s uns grade erzhlt. Er ist am Haus vorbeigekommen.
Ich wußte, daß ich beobachtet wurde, und so aß ich weiter, als interessiere mich die Nachricht nicht.

 

Mein Onkel versorgte Old Cotter mit Erklrungen.
– Der Junge und er waren große Freunde. Der Alte hat ihm eine große Menge beigebracht, wissen Sie; und er soll ihm sehr am Herzen gelegen haben.
– Gott sei seiner Seele gndig, sagte meine Tante fromm.

Old Cotter sah mich eine Weile an. Ich fühlte, daß seine kleinen perligen schwarzen Augen mich prüften, aber ich mochte ihm den Gefallen nicht tun, von meinem Teller aufzusehen. Er kehrte zu seiner Pfeife zurück und spuckte schließlich rüde in den Kamin.

 

– Mir wr es nicht recht, sagte er, wenn meine Kinder zuviel mit so einem Mann zu tun htten.
– Wie meinen Sie das, Mr. Cotter? fragte meine Tante.
– Ich meine, sagte Old Cotter, es ist nicht gut für die Kinder. Ich bin der Ansicht: ein junger Bursche soll mit gleichaltrigen Burschen rumrennen und spielen und nicht… Hab ich recht, Jack?

– Das ist auch mein Grundsatz, sagte mein Onkel. Er soll lernen, sich durchzuboxen. Das sage ich diesem Rosenkreuzer hier ja dauernd: treib Sport. Also als ich so ein junger Spund war, da hab ich Morgen für Morgen kalt gebadet, Winter wie Sommer. Und das kommt mir heute zugute. Bildung ist ja schçn und gut… Vielleicht nimmt Mr. Cotter ein Stück Hammelkeule, fügte er zu meiner Tante gewandt hinzu.

– Nein, nein, keine Umstnde, sagte Old Cotter.
Meine Tante holte die Platte aus dem Fliegenschrank und stellte sie auf den Tisch.
– Aber wieso meinen Sie, daß es nicht gut ist für die Kinder, Mr. Cotter? fragte sie.
– Es ist nicht gut für die Kinder, sagte Old Cotter, weil ihr Geist so leicht zu beeindrucken ist. Wenn Kinder so etwas sehen, wissen Sie, dann hat das seine Wirkungen…

Ich stopfte mir den Mund voll Haferbrei, aus Angst, ich kçnnte meinem Zorn Ausdruck geben. Langweiliger alter rotnasiger Kretin!

 

 

Es war spt, als ich einschlief. Obwohl ich wütend auf Old Cotter war, weil er von mir sprach wie von einem Kind, zergrübelte ich mir doch den Kopf, um seinen unvollendeten Stzen Sinn zu entnehmen. Im Dunkel meines Zimmers stellte ich mir vor, ich she noch einmal das schwere graue Gesicht des Paralytikers. Ich zog mir die Decken über den Kopf und versuchte an Weihnachten zu denken. Aber das graue Gesicht folgte mir weiterhin.

 

Es murmelte etwas; und ich begriff, daß es etwas zu beichten begehrte. Ich fühlte,
wie meine Seele in eine angenehme und lasterhafte Gegend wich; und auch dort wartete es schon auf mich. Es hob an, mir mit murmelnder Stimme zu beichten, und ich fragte mich, warum es unverwandt lchele und warum die Lippen so feucht seien von Speichel.

 

Aber dann fiel mir ein, daß es an Paralyse gestorben war, und ich fühlte, daß auch ich schwach lchelte, wie um den Simonisten loszusprechen von seiner Sünde.
Nach dem Frühstück am nchsten Morgen ging ich und sah mir das kleine Haus unten in der Great Britain Street an.

Es war ein unscheinbarer Laden, der unter dem vagen Namen »Tuchwaren« firmierte. Die Tuchwaren bestanden vornehmlich aus wollenen Kinderstiefeln und Schirmen; und an gewçhnlichen Tagen hing immer ein Schild mit der Aufschrift Neubespannung von Schirmen im Fenster. Jetzt war kein Schild zu sehen, denn die Lden waren vorgehngt.

Ein Florstrauß war mit Band am Türklopfer befestigt. Zwei arme Frauen und ein Telegrammbote lasen die Karte, die an den Trauerflor gesteckt war. Ich trat hinzu und las:

 

1. Juli 1895

The Rev. James Flynn

(vormals S. Catherine’s-Church, Meath Street),

im Alter von fünfundsechzig Jahren.

R. I. P.

 

Das Lesen der Karte überzeugte mich, daß er tot war, und zu meinem Befremden wußte ich nicht weiter. Wre er nicht tot gewesen, so wre ich in das kleine dunkle Zimmer hinter dem Laden gegangen und htte ihn in seinem Lehnstuhl am Feuer sitzend gefunden, von seinem berzieher fast erstickt.

Vielleicht htte meine Tante mir ein Pckchen High Toast für ihn mitgegeben, und das Geschenk htte ihn aus seinem betubten Halbschlaf geweckt. Immer war ich es, der das Pckchen in seine schwarze Schnupftabaksdose leerte, denn seine Hnde zitterten zu sehr, als daß er es selberhtte tun kçnnen, ohne die Hlfte des Tabaks auf den Boden zu schütten.

 

Sogar wenn er die große zitternde Hand an die Nase hob, rieselten kleine Wolken davon durch seine Finger vorne auf seinen Mantel. Vielleicht war es dieser stndige Schnupftabakregen, der seinen bejahrten Priestergewndern ihr grünes verblichenes Aussehen verlieh, denn das rote Taschentuch, das immer von den Tabakflecken einer Woche geschwrzt war und mit dem er die herabgefallenen Krümel wegzuwischen versuchte, war vçllig wirkungslos.

Ich wre gern hineingegangen und htte ihn mir angesehen, aber ich hatte den Mut nicht, zu klopfen. Ich entfernte mich langsam auf der Sonnenseite der Straße und las im Gehen alle Theateranzeigen in den Schaufenstern. Ich fand es sonderbar, daß weder ich noch der Tag in Trauerstimmung zu sein schienen, und fast rgerte es mich, in mir ein Gefühl von Freiheit zu entdecken, als htte mich sein Tod von irgendetwas befreit.

 

Ich wunderte mich darüber, denn, wie mein Onkel am Abend zuvor gesagt hatte, er hatte mir eine große Menge beigebracht. Er hatte am Irischen Kolleg in Rom studiert, und er hatte mir die richtige lateinische Aussprache beigebracht.

Er hatte mir Geschichten über die Katakomben und über Napoleon Bonaparte erzhlt, und er hatte mir die Bedeutung der verschiedenen Zeremonien der Messe und der verschiedenen Gewnder erklrt, die der Priester trgt.

Manchmal hatte er sich den Spaß gemacht, mir schwierige Fragen zu stellen, etwa was man unter gewissen Umstnden zu tun habe oder ob diese oder jene Sünde eine Todsünde oder eine lßliche Sünde oder nur eine Unvollkommenheit sei. Seine Fragen zeigten mir, wie kompliziert und geheimnisvoll gewisse Einrichtungen der Kirche waren, die ich immer für die simpelsten Handlungen gehalten hatte.

 

Die Pflichten des Priesters gegenüber der Eucharistie und gegenüber dem Beichtgeheimnis schienen mir so schwerwiegend, daß ich mich fragte, wie jemand je den Mut aufgebracht habe, sie auf sich zu nehmen; und es überraschte mich nicht, als er mir erzhlte, daß die Kirchenvter Bücher so dick wie das Post Office Directory und so eng gedruckt wie die Gerichtsmeldungen in der Zeitung geschrieben htten, um alle diese verwickelten Fragen zu erhellen.

 

Wenn ich das bedachte, konnte ich oft keine Antwort geben oder nur eine sehr tçrichte und zçgernde, woraufhin er gewçhnlich lchelte und zwei- oder dreimal mit dem Kopf nickte. Hin und wieder ging er die Antworten der Messe mit mir durch, die er mich auswendig hatte lernen lassen; und whrend ich sie heruntersagte, lchelte er immer nachdenklich, nickte mit dem Kopf und schob ab und zu gewaltige Prisen
Schnupftabak abwechselnd in beide Nasenlçcher.

 

Wenn er lchelte, entblçßte er immer seine großen verfrbten Zhne und ließ die Zunge auf der Unterlippe ruhen – eine Angewohnheit, die mich am Anfang unserer
Bekanntschaft, ehe ich ihn besser kennenlernte, beklommen gemacht hatte.

Whrend ich in der Sonne weiterging, erinnerte ich mich an Old Cotters Worte und suchte mich zu erinnern, was spter in dem Traum geschehen war. Ich erinnerte mich, daß ich lange Samtvorhnge und eine hinund herschwingende Lampe von altertümlicher Art gesehen hatte.

Ich hatte das Gefühl, daß ich sehr weit weg gewesen wre, in einem Land mit fremden Bruchen – in Persien, dachte ich … Aber an das Ende des Traums vermochte ich mich nicht zu erinnern.

 

Am Abend nahm mich meine Tante mit zum Besuch im Trauerhaus. Es war nach Sonnenuntergang; aber die nach Westen gelegenen Fensterscheiben der Huser spiegelten das lohfarbene Gold einer großen Wolkenbank.

Nannie empfing uns auf dem Flur; und da es ungebührlich gewesen wre, auf sie einzuschreien, schüttelte ihr meine Tante für uns alle die Hand. Die alte Frau zeigte fragend nach oben, und als meine Tante nickte, qulte sie sich uns voran die schmale Treppe hinauf, den gebeugten Kopf kaum über Gelnderhçhe.

Auf dem ersten Absatz blieb sie stehen und wies uns ermutigend zur offenen Tür des Totenzimmers. Meine Tante ging hinein, und die alte Frau, die sah, daß ich einzutreten zçgerte, machte mir wiederholt Zeichen mit der Hand.

 

Ich ging auf Zehenspitzen hinein. Durch den Spitzensaum des Rouleaus drang dmmriges goldenes Licht in den Raum, in dem die Kerzen wie bleiche dünne Flammen aussahen. Er war eingesargt worden. Nannie machte den Anfang, und wir drei knieten am Fußende des Bettes nieder.

Ich tat, als betete ich, aber ich konnte meine Gedanken nicht sammeln, da mich das Gemurmel der alten Frau ablenkte. Mir fiel auf, wie unbeholfen ihr Rock hinten zugehakt war und wie die Abstze ihrer Tuchstiefel beide nach einer Seite schiefgetreten waren. Mir kam es vor, als lchele der alte Priester, wie er dort in seinem Sarge lag.

 

Aber nein. Als wir uns erhoben und zum Kopfende des Bettes traten, sah ich, daß er nicht lchelte. Da lag er feierlich und füllig, eingekleidet wie für den Altar, in den großen Hnden locker einen Kelch haltend. Sein Gesicht war sehr grimmig, grau und massig, mit schwarzen hçhlenarti gen Nasenlçchern und von einem sprlichen weißen Pelz umrandet. Ein schwerer Geruch hing im Zimmer – die Blumen.
Wir bekreuzigten uns und gingen.

 

In dem kleinen Zimmer unten thronte Eliza in seinem Lehnstuhl. Ich tastete mich zu meinem gewohnten Stuhl in der Ecke, whrend Nannie zum Büfett ging und eine Karaffe Sherry und einige Weinglser herausnahm. Sie setzte die Sachen auf den Tisch und lud uns ein zu einem Glschen Wein.

Auf Geheiß ihrer Schwester schenkte sie sodann den Sherry in die Glser und reichte sie uns. Sie drang in mich, auch einige Sahnecracker zu nehmen, aber ich lehnte ab, weil ich dachte, ich würde beim Essen zuviel Krach machen.

Sie schien von meiner Ablehnung etwas enttuscht und ging still zum Sofa hinüber, wo sie hinter ihrer Schwester Platz nahm. Niemand sprach: wir alle starrten in den leeren Kamin. Meine Tante wartet wir konnten, so arm wie wir sind – wir wollten nicht, daß ihm was abging, solang er noch da war.

 

 

Nannie hatte ihren Kopf an das Sofakissen gelehnt und schien drauf und dran, einzuschlafen.
– Die arme Nannie da, sagte Eliza und sah sie an, sie ist ganz kaputt.
Die ganze Arbeit, die wir gehabt haben, sie und ich, die Leichenwscherin kommen lassen und dann ihn aufbahren und dann der Sarg und dann alles fertigmachen wegen der Messe in der Kapelle. Wenn Pater O’Rourke nicht gewesen wr, ich weiß nicht, was wir überhaupt gemacht htten.

Er hat uns die ganzen Blumen da gebracht und die beiden Kerzenstnder da aus der Kapelle und die Anzeige für den Freeman’s General aufgesetzt und sich um die ganzen Papiere für den Friedhof gekümmert und um die Versicherung vom armen James.

 

– Das war aber freundlich von ihm, nicht? sagte meine Tante.

Eliza schloß die Augen und schüttelte langsam den Kopf.
– Hmm, es geht doch nichts über die alten Freunde, sagte sie, wenn es zum letzten kommt, kann man sich auf keinen verlassen.

– O ja, das stimmt, sagte meine Tante. Und ich bin sicher, jetzt, wo er seinen ewigen Lohn empfangen gegangen ist, wird er Sie und alle Ihre Güte nicht vergessen.
– Ach, der arme James! sagte Eliza. Er hat uns nicht viel Mühe gemacht. Man hat ihn im Haus nicht mehr gehçrt als jetzt. Aber ich weiß, er ist nun fort und so zum …
– Wenn erst alles vorbei ist, dann werden Sie ihn vermissen, sagte meine Tante.
– Das weiß ich, sagte Eliza. Ich bring ihm seine Tasse Bouillon nicht mehr rein, und Sie schicken ihm seinen Schnupftabak nicht mehr. Ach, der arme James!

Sie hielt inne, als kommuniziere sie mit der Vergangenheit, und sagte dann schlau:
– Wissen Sie, ich hab gemerkt, daß in letzter Zeit so etwas Komisches über ihn gekommen ist. Immer wenn ich ihm seine Suppe reingebracht hab, hab ich ihn gefunden, wie er im Sessel zurückgesackt war, das Brevier hat auf der Erde gelegen, und sein Mund war auf.

 

Sie legte einen Finger an die Nase und krauste die Stirn: dann fuhr sie fort:
– Aber trotz und alledem hat er immer wieder gesagt, daß er noch vor Sommerende einmal ausfahren würde an einem schçnen Tag, nur um das alte Haus wieder zu sehen, wo wir alle geboren sind, unten in Irishtown, und mich und Nannie wollte er mitnehmen.

Wenn wir nur mal eine von den neumodischen Kutschen kriegen kçnnten, die keinen Lrm machen, von denen ihm Pater O’Rourke erzhlt hat – die mit den rheumatischen Rdern –, hat er gesagt, billig für einen Tag bei Johnny Rush gegenüber, und alle drei gemeinsam mal einen Sonntagabend ausfahren kçnnten.

 

Das hatte er sich in den Kopf gesetzt … Der arme James!
– Der Herr sei seiner Seele gndig! sagte meine Tante.

Eliza nahm ihr Taschentuch heraus und wischte sich damit die Augen.
Dann steckte sie es wieder in die Tasche und starrte eine Zeitlang schweigend in den leeren Kamin.
– Er war immer zu gewissenhaft, sagte sie. Die Pflichten des Priesteramts, das war zuviel für ihn. Und dann war sein Leben auch sozusagen durchkreuzt.
– Ja, sagte meine Tante. Er war ein enttuschter Mann. Man hat es ihm angesehen.

 

Schweigen bemchtigte sich der kleinen Stube, und unter seinem Schutz trat ich zum Tisch und kostete von meinem Sherry und kehrte dann still zu meinem Stuhl in der Ecke zurück. Eliza schien in tiefe Trumerei versunken. Wir warteten respektvoll, daß sie das Schweigen brche: und nach einer langen Pause sagte sie langsam:
– Es war dieser Kelch, den er zerbrochen hat… Damit hat es angefangen.

 

Natürlich, es heißt, daß es nicht schlimm war, daß nichts drin war, meine ich. Aber trotzdem . . . Es heißt, der Junge war schuld. Aber der arme James war so nervçs, Gott sei ihm gndig!
– Und das war es? sagte meine Tante. Ich hçrte etwas…

Eliza nickte.
– Das hat seinen Geist angegriffen, sagte sie. Danach wurde er dann so trübsinnig, redete mit niemand und ging immer allein für sich.

 

 

Einmal nachts wurde er verlangt, weil er einen Besuch machen sollte, und sie KIonnten ihn nirgends finden. Sie haben von oben bis unten nach ihm gesucht; und trotzdem haben sie nirgends eine Spur von ihm gefunden. Dann hat der Küster vorgeschlagen, mal in der Kapelle nachzusehen.

Dann haben sie sich die Schlüssel besorgt und die Kapelle aufgemacht, und der Küster und Pater O’Rourke und noch ein Priester, der da war, haben ein Licht mit
reingenommen, um ihn zu suchen … Und was glauben Sie, da war er, saß ganz allein im Dunkeln in seinem Beichtstuhl, hellwach und wie wenn er leise für sich lachen tte?

 

Sie hielt plçtzlich inne, wie um zu lauschen. Auch ich lauschte; aber im Haus war kein Gerusch: und ich wußte, daß der alte Priester still in seinem Sarg lag, wie wir ihn gesehen hatten, feierlich und grimmig im Tode, einen leeren Kelch auf der Brust.

Eliza fuhr fort:

– Hellwach und wie wenn er für sich lachen täte … Also dann natürlich, als sie das sahen, da haben sie gedacht, daß irgendetwas mit ihm nicht mehr stimmte…

..

.

James Joyce – Die Schwestern

Buch: Dubliner (eng: Dubliners, 1914)

Kurzgeschichten – Irische Literatur

Volltext ins Deutsche übersetzt

 

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