GUY DE MAUPASSANT Geschichten DAS GLÜCK TEXT ins Deutsche DE

 

 

Guy de Maupassant
Das Glück

( Fra: Le bonheur )

(1884)

 

 

Geschichte

Text mit deutscher Übersetzung

Französische Literatur

 

 

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Guy de Maupassant (Tourville 5. August 1850 – Paris, 6. Juli 1893) war ein Schriftsteller, Dramatiker, Reiseberichterstatter, Essayist und französischer Dichter.

Guy de Maupassant ist einer der Väter der modernen Geschichte und prägte die französische Literatur mit seinen sechs Romanen, darunter Une Vie (1883), Bel-Ami (1885), Mont-Oriol (1887), Pierre et Jean (1888), ist aber auch und vor allem als Autor realistischer Geschichten und Kurzgeschichten.
Guy de Maupassant war Schüler von Gustave Flaubert und Emile Zola.

Die Schriften von Guy de Maupassant haben eine große realistische Kraft und stilistische Meisterschaft, wobei sie oft in das Fantastische und in den Pessimismus eindringen.

Guy de Maupassant war ein Schriftsteller, der dafür bekannt war, Halluzinogene zu konsumieren, und der die Erfahrungen mit diesen Substanzen hätte nutzen können, um seine Geschichten zu schreiben. Guy de Maupassants literarische Karriere war von 1880 bis 1890 auf ein Jahrzehnt begrenzt, bevor er kurz vor seinem 43. Geburtstag in Wahnsinn und Tod versank.

Die Kurzgeschichte ” Das Glück ” von Guy de Maupassant (auf Französisch: Le bonheur; en: Happiness) wurde erstmals am 16. März 1884 in der französischen Zeitung Le Gaulois veröffentlicht.

Die im Folgenden vorgestellte Kurzgeschichte “Das Glück” von Guy de Maupassant befasst sich mit dem Thema der Liebe, die ein Leben lang in der primitiven und wilden Natur der Insel Korsika im Jahr 1800 währt.

Kann man mehrere Jahre hindurch ohne Unterbrechung lieben? “Ja”, gaben die einen vor. “Nein”, behaupteten die anderen…

 

Hier ist der volltext der Kurzgeschichte “Das Glück” von Guy de Maupassant ins Deutsche übersetzt.

Die Originaltext Geschichte in Französisch Sprache von “Das Glück” (Fra: Le bonheur) von Guy de Maupassant finden Sie auf yeyebook.com , indem Sie hier klicken.

Die Geschichte “Das Glück” (Happiness) mit Text ins Englische übersetzt finden Sie auf yeyebook, indem Sie hier klicken.

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Gutes Lesen und gutes Glück!

 

 

Guy de Maupassant
Das Glück

 

 

Kurzgeschichte

Text ins Deutsche übersetzt

 

 

       Es war Teezeit, noch bevor die Lampen hereingebracht wurden. Hoch ragte die Villa über die See, die entschwundene Sonne hatte den Himmel ganz rosa und mit Goldstaub überhaucht zurückgelassen, und das Mittelmeer, regungslos und glatt, leuchtete noch einmal auf, da der Tag hinstarb. Es glich einer ungeheuer großen, schimmernden Metallscheibe. Weit in der Ferne zeichneten zur Rechten die gezackten Berge ihr schwarzes Profil auf den verblaßten Purpur des Westens.

 

Man plauderte über die Liebe, man erörterte dieses alte Thema, man sagte wieder Dinge, die man schon sehr oft gesagt hatte. Die milde Melancholie der Abenddämmerung verlangsamte die Worte, ließ eine Rührung in den Seelen aufkommen, und dieses Wort “Liebe”, das unaufhörlich wieder kam, bald von einer festen Männerstimme ausgesprochen, bald von einer Frauenstimme mit leichtem Klang gesagt, schien den kleinen Salon zu erfüllen, hier wie ein Vogel herumzuflattern, dort wie ein Geist zu schweben.

Kann man mehrere Jahre hindurch ohne Unterbrechung lieben?

“Ja”, gaben die einen vor.

“Nein”, behaupteten die anderen.

Man unterschied die Fälle, man zog Abgrenzungen, man zitierte Beispiele. Und alle, Männer und Frauen, überließen sich ihren plötzlich auftauchenden Erinnerungen, die sie nicht anführen konnten und die ihnen doch auf die Lippen kamen. Sie sprachen über diese gewöhnliche und mächtige Sache, über die zarte und geheimnisvolle Übereinstimmung zweier Wesen, mit tiefer Bewegung und glühender Anteilnahme.

 

Aber plötzlich rief einer, der die Augen in die Ferne gerichtet hatte, aus:
“Ah, schauen Sie, was ist das dort drüben?”
Auf dem Meere tauchte am fernen Horizont eine ungeheure und verschwommene graue Masse auf.
Die Frauen hatten sich erhoben und betrachteten dieses überraschende Schauspiel, das sie noch nie gesehen hatten.

Irgendeiner sagte: “Es ist Korsika! Man erblickt es so zwei- oder dreimal im Jahr unter bestimmten atmosphärischen Bedingungen, wenn die Luft von vollkommener Klarheit ist und jene leichten dunstigen Nebel, die immer die Fernen verschleiern, die Insel nicht mehr verbergen.”

 

Man unterschied unbestimmt die Bergrücken, man glaubte den Schnee der Gipfel zu erkennen. Und alle waren überrascht, verwirrt, beinahe erschreckt durch diese plötzliche Erscheinung einer Welt, durch dieses aus dem Meer gestiegene Phantom.

Da äußerte sich ein alter Herr, der noch nicht gesprochen hatte:
“Sehen Sie, ich habe auf dieser Insel, die sich vor uns erhebt, als wollte sie selbst auf das, was wir sagten, antworten, ich habe da ein wunderbares Beispiel einer beständigen Liebe gekannt, einer unwahrscheinlich glücklichen Liebe.

 

Vor fünf Jahren unternahm ich eine Reise nach Korsika. Diese wilde Insel ist unbekannter und von uns weiter entfernt als Amerika, obwohl man sie manchmal, wie heute, von den Küsten Frankreichs aus sieht.
Stellen Sie sich eine Welt noch im Chaos vor, einen Wirbelwind von Bergen, die enge Klüfte trennen, durch die Sturzbäche fließen; keine Ebene, aber ungeheure Wogen aus Granit und riesige Erdwellen, mit Gebüsch oder hohen Kastanien- und Föhrenwäldern bedeckt.

Es ist ein jungfräulicher Boden, ungepflegt und verlassen, obwohl man manchmal einen Weiler oder ein Dorf gleich einem Haufen Felsen auf einem Berggipfel wahrnimmt. Kein Ackerbau, keine Industrie, keine Kunst. Man stößt niemals auf ein Stück bearbeiteten Holzes, ein Stückchen behauenen Steines, niemals auf zierliche und schöne Dinge, die an den kindlichen oder verfeinerten Geschmack der Vorfahren erinnern.

 

Italien, wo jeder Palast voll von Meisterwerken, ja selbst ein Meisterwerk ist, wo der Marmor, das Holz, die Bronze, das Eisen, die Metalle und Steine das Genie des Menschen bezeugen, wo die kleinsten antiken Gegenstände, die in den alten Häusern herum. liegen, die göttliche Sorge um Anmut enthüllen, Italien ist für uns alle das heilige Vaterland, das man liebt, weil es uns die Anstrengung, die Größe, die Macht und den Triumph schöpferischen Geistes zeigt.

Und ihm gegenüber ist das wilde Korsika so wie in seinen ersten Tagen geblieben. Der Mensch lebt dort in seiner rohen Behausung, gleichgültig gegenüber allem, was nicht seine Existenz oder seine Familienfehden berührt. Und er ist so mit den Fehlern und Vorzügen der unkultivierten Rassen geblieben, aufbrausend, jähzornig und blutdürstig, aber auch gastfreundlich, freigebig und kindlich.

 

Seit einem Monat also irrte ich durch diese großartige Insel, mit dem Gefühl, daß ich am Ende der Welt sei. Keine Gasthäuser, keine Schenken, keine Landstraßen. Man erreicht auf Maultierpfaden die Weiler, die an den Berghängen kleben und gewundene Abgründe überragen, von wo man am Abend die dumpfe und tiefe Stimme des Sturzbaches heraufsteigen hört. Man klopft an die Türen der Häuser. Man bittet um Unterkunft für die Nacht und um etwas zum Leben bis zum nächsten Tag. Und man setzt sich an den bescheidenen Tisch und schläft unter dem bescheidenen Dach; am andern Morgen drückt man dann die ausgestreckte Hand des Gastgebers, der einen noch bis zur Grenze des Dorfes geführt hat.

Ich erreichte an einem Abend nach zehn Marschstunden eine kleine Behausung, die einsam in einem engen, kleinen Tal lag. Die beiden steilen Berghänge, mit Gebüsch, Felsen und großen Bäumen bedeckt, umschlossen wie zwei dunkle Mauern diese beklagenswert traurige Schlucht.

Um die Hütte wuchsen einige Weinreben in einem kleinen Garten, und weiter weg ein paar mächtige Kastanienbäume, die in dem armen Land ein wahres Vermögen darstellen.

 

Die Frau, die mich empfing, war alt, ernst und ausnahmsweise sauber. Der Mann, der auf einem Korbsessel saß, erhob sich, um mich wortlos zu begrüßen, hierauf setzte er sich wieder. Seine Gefährtin sagte mir:
»Entschuldigen Sie ihn, er ist taub. Er ist jetzt zweiundachtzig Jahre alt.«
Sie sprach Französisch, wie man es in Frankreich spricht. Ich war überrascht.
»Sie sind nicht aus Korsika?« fragte ich.
»Nein, wir kommen vom Festland; aber wir leben schon fünfzig Jahre hier.«

Ein Gefühl der Beklemmung und Furcht packte mich bei dem Gedanken an diese einsamen fünfzig Jahre. Ein alter Hirt kam herein, und man machte sich daran, das einzige Gericht zu essen, eine dicke Kartoffelsuppe mit Speck und Kohl.

 

Als die kurze Mahlzeit beendet war, setzte ich mich vor die Türe, bedrückt durch die düstere Landschaft, ergriffen von der melancholischen Stimmung, die manchmal die Reisenden an traurigen Abenden und an einsamen Orten ergreift. Es scheint, als ob alles bald zu Ende sei, das Leben wie auch die Welt. Man durchschaut plötzlich das schreckliche Elend des Lebens und die dunkle Einsamkeit des Herzens, das sich in Träumen wiegt und sich bis zum Tod betrügt.

Die alte Frau setzte sich zu mir, und gequält durch diese Neugierde, die immer noch in den entsagenden Seelen lebt, fragte sie:
»Sie kommen aus Frankreich, nicht wahr?«
»Ja, ich reise zu meinem Vergnügen.«
»Sind Sie vielleicht aus Paris?«
»Nein, ich bin aus Nancy.«
Es schien mir, daß sie eine außerordentliche Erregung ergriffen hätte.
Sie wiederholte mit langsamer Stimme:
»Sie sind aus Nancy?«
Der Mann erschien an der Tür, teilnahmslos wie taube Menschen es sind.
Sie begann wieder:
»Kümmern Sie sich nicht um ihn, er hört nichts.«
Dann, nach einigen Sekunden:
»Sie kennen also Leute in Nancy?«
»Ja, fast Jedermann.«
»Die Familie Saint-Allaize?«
»O ja, sehr gut; sie waren Freunde meines Vaters.«
»Wie heißen Sie?«
Ich sagte meinen Namen. Sie betrachtete mich starr, dann sprach sie mit jener leisen Stimme, die die Erinnerungen wachrufen, aus:
»Jaja, ich erinnere mich gut. Und die Brisemare, was ist aus ihnen geworden?«
»Sie sind alle gestorben.«
»Ah, und die Sirmont, Sie kannten sie?«
»Ja, der letzte ist General.«

 

Nun sagte sie, zitternd vor Aufregung, Angst und ich weiß nicht welch verworrenem, mächtigem und heiligem Gefühl, aus ich weiß nicht welchem Verlangen heraus zu gestehen, alles zu sagen, von all dem zu sprechen, was sie bis jetzt im Grunde ihres Herzens verschlossen gehalten hatte.
»Ja, Henri de Sirmont! Ich weiß es wohl. Er ist mein Bruder.«

Und ich hob die Augen zu ihr auf, außer mir vor Erstaunen. Und plötzlich erinnerte ich mich wieder.
Es hatte einst einen großen Skandal im adeligen Lothringen gegeben. Ein schönes und reiches Mädchen, Suzanne de Sirmont, war von einem Husaren-Unteroffizier des Regimentes, das ihr Vater befehligte, entführt worden.

 

Es war ein hübscher Junge, ein Bauernsohn, dem aber der blaue Dolman gut stand. Sie hatte ihn zweifellos gesehen, bemerkt; geliebt, als sie die Schwadronen defilieren sah. Aber wie hatte sie mit ihm gesprochen, wie hatten sie sich sehen und verstehen können? Wie hatte sie es gewagt, ihm zu verstehen zu geben, daß sie ihn liebte?
All das erfuhr man nie.

Man hatte nichts geahnt, nichts vorhergefühlt. An einem Abend, als der Soldat seine Dienstzeit beendet hatte, verschwand er mit ihr. Man suchte sie, man fand sie nicht wieder. Man bekam von ihnen niemals Nachricht und hielt sie für tot.
Und ich fand sie in dieser unheimlichen Talschlucht.

 

Nun sprach ich.
»Ja, ich erinnere mich wohl. Sie sind Fräulein Suzanne.«
Sie nickte ‘ja’ mit dem Kopfe. Tränen stürzten aus ihren Augen. Sie zeigte mit einem Blick auf den unbeweglichen Greis und sagte:
»Der ist’s.«

Und ich verstand, daß sie ihn immer noch liebte und ihn mit ihren verzauberten Augen sah. Ich fragte:
»Sind Sie wenigstens glücklich gewesen?«
Sie antwortete mit einer Stimme, die von Herzen kam:

»O ja, sehr glücklich. Er hat mich sehr glücklich gemacht. Ich habe nie etwas bedauert.«
Ich betrachtete sie traurig, erstaunt, verwundert über die Macht der Liebe. Dieses reiche Mädchen war einem Bauern gefolgt. Sie war selbst zur Bäuerin geworden. Sie hatte sich in ein Leben ohne Luxus, sie hatte sich seinen einfachen Gewohnheiten gefügt. Und sie liebte ihn immer noch. Sie war eine Bäuerin mit Kopftuch und Leinenkittel geworden. Sie aß aus einer irdenen Schüssel an einem Holztisch und saß dabei auf einem Strohsessel. Sie schlief auf einem Strohsack an seiner Seite.

 

Sie hatte nur an ihn gedacht! Nie hatte sie Schmuckstücke oder Stoffe, noch die weichen Stühle oder die parfümierte, lässige Atmosphäre der Salons, noch die schmiegsamen Daunen, in die die Körper zum Ausruhen sinken, vermißt. Sie hatte immer nur nach ihm Verlangen getragen.

Ganz jung, hatte sie das Leben und die Gesellschaft und jene, die sie erzogen und geliebt hatten, verlassen. Sie war allein mit ihm in diese wilde Schlucht gekommen, und er war alles für sie gewesen, alles, was man ersehnt, alles, von dem man träumt, alles, was man ohne Unterlaß erwartet, alles, was man ohne Ende er. hofft. Er hatte ihr Sein vom Anfang bis zum Ende mit Glück erfüllt.
Sie hätte nie glücklicher sein können.

Und die ganze Nacht dachte ich an dieses seltsame Erlebnis, an dieses so vollkommene und einfache Glück, während ich das schwere Atmen des alten Soldaten hörte, der auf seiner elenden Lagerstätte an der Seite jener lag, die ihm auf so weitem Wege gefolgt war.

 

Und ich schied bei Sonnenaufgang, nachdem ich die Hand der beiden alten Eheleute gedrückt hatte.”
Der Erzähler schwieg. Eine Frau meinte:
“Was bedeutet das schon? Sie hatte ein leicht erreichbares Ideal, zu primitive Bedürfnisse und zu einfache Forderungen. Das konnte nur eine dumme Gans sein.”

 

Eine andere sprach mit langsamer Stimme:
“Das macht nichts aus, sie war glücklich.”

Und weit draußen am Horizont versank Korsika in der Nacht, kehrte langsam wieder ins Meer zurück, verwischte seinen großen Schatten, der aufgetaucht war, wie um selbst die Geschichte zweier demütig Liebender, die sein Gestade beherbergte, zu erzählen.

..

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Guy de Maupassant – Das Glück

Fra: Le bonheur (1884)

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